Achtsamkeit im Leiden

Der Dalai Lama betont immer wieder, wie wichtig es ist, den Geist zu schulen, um Leid besser ertragen zu lernen und so dauerhaftes Glück zu erlangen.

Diese Aussage beinhaltet für mich zwei wichtige Aspekte,
1) den Geist für schlechte Zeiten zu schulen und
2) dauerhaftes Glück anzustreben.

Ich habe gerade eine abklingende Erkältung. Die Erkältung kam mit verstopften und gereizten Atemwegen und Nebenhöhlen, starken Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und vieles mehr. Hier von Leiden zu sprechen ist im Angesicht des Leides in der Welt sicher nicht angemessen, es hat mir aber in meiner Situation einen winzigen Eindruck davon gegeben. Ich hatte nun den Eindruck, dass mir meine tägliche Meditationspraxis geholfen hat die Erkältung besser zu ertragen, während der Erkältung ist mir die Praxis aber schwer, teilweise unmöglich, gefallen. Hier habe ich also noch Möglichkeit meinen Geist weiter zu schulen. Die Situation hat mir also gezeigt, wie hilfreich „den Geist zu schulen“ ist, um das Leiden besser zu ertragen und darauf vorbereitet zu sein. Ganz im Sinne von Victor Frankl, dem Begründer der Logotherapie:

„Das Leiden, die Not gehört zum Leben dazu, wie das Schicksal und der Tod. Sie alle lassen sich vom Leben nicht abtrennen, ohne dessen Sinn nachgerade zu zerstören. Not und Tod, das Schicksal und das Leiden vom Leben abzulösen, hieße dem Leben die Gestalt, die Form nehmen. Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt.“ – Ärztliche Seelsorge, S. 118

Der zweite Aspekt ist der Aspekt der zeitlichen Dimension des Glückes. Es geht im Leben nicht darum kurzfristiges Glück zu erlangen, also die Fokussierung auf die Glücksmomente im Leben, es geht darum, trotz oder gerade wegen des unvermeidlichen Schmerzes Glück zu erlangen. Das heißt sicher nicht, die Glücksmomente zu ignorieren, sie können wahrgenommen und genossen werden. Aber ein Festhalten oder immer wieder Erreichen wollen, führen zwangsläufig zu Leid und Unglück.

Uns selbst befreien

Ungesunde Gedanken können uns in die Vergangenheit ketten. Sie entstehen als vipaka, das Ergebnis des vergangenen Karmas, das wir nicht ändern können. Wir können jedoch unsere zerstörerischen Gedanken in der Gegenwart verändern. Durch Achtsamkeitstraining können wir sie als in der Vergangenheit gelernte schlechte Gewohnheiten erkennen. Dann unternehmen wir den nächsten wichtigen Schritt. Wir können entdecken, wie diese zwanghaften Gedanken unsere Trauer, Unsicherheit und Einsamkeit überdecken. Dieses Leiden muss mit Mitgefühl erfüllt werden. Durch das allmähliche Lernen, diese zugrundeliegenden Energien zu akzeptieren, können wir ihren Einfluss reduzieren.

Aber auch wenn sie ihre Quelle kennen und sie mit Mitgefühl fühlen, reicht es nicht aus, die schwierigsten Muster zu verändern. Wir müssen sie ersetzen. Dies ist das Vorgehen zur Schaffung gesünderen Karmas. Das Ersetzen der Gedanken kann eine Herausforderung sein, denn wir sind loyal zu unseren Geschichten. Sie werden unsere Identität. In dem Moment, wenn die zerstörerischen Geschichten die wir uns erzählt haben zusammenbrechen, kann es schwierig für uns werden. Wir können uns besorgt, zweifelnd, eingeengt oder ängstlich vor dem Unbekannten fühlen.

Manchmal müssen wir uns von ihrer Macht und ihrem schlechten Rat lösen. Aber unter den destruktiven Gedanken ist ein Teil von uns, der bereits weiß, dass die Gedanken nicht wahr, nicht gültig, nicht lebendig sind. Und mit einem Freigeben der alten Geschichten, dämmert eine neue Perspektive. Angst kann sich in Präsenz und Erregung verwandeln. Verwirrung kann sich zu Neugier entwickeln. Unsicherheit kann ein Tor des Erstaunens werden. Und Unwürdigkeit kann uns zur Erhabenheit führen.

(aus Jack Kornfield: Das weise Herz)

Teilnehmer für Meditationskreis herzlich willkommen

Der offene Meditationskreis in Kirschhausen freut sich auf weitere Teilnehmer die einfach mal das Erlebnis einer gemeinsamen Meditationsrunde genießen möchten. Um es mit Thich Nhat Hanhs Worten zu sagen:

„Wenn Sie mit anderen sitzen, gehen und arbeiten vervielfältigt sich diese Energie und Sie schaffen gemeinsam eine machtvolle kollektive Achtsamkeitsenergie für Ihre eigene Heilung und die Heilung der Welt. Die Welt braucht diese essentielle spirituelle Nahrung.“

Meditation 

​Meditation bedeutet etwas vollkommene Aufmerksamkeit zu schenken. Es bedeutet nicht vor dem Leben davon zu laufen, sondern ist vielmehr eine Gelegenheit uns und unsere gegenwärtige Situation auf tiefe Weise zu betrachten. Meditation hat zwei Aspekte. 

Der Erste ist das Innehalten, auf Sanskrit shamatha. Wir rennen unser ganzes Leben lang und jagen irgendwelchen Vorstellungen von Glück hinterher. Innehalten bedeutet damit aufzuhören. Wir kommen nach Hause in den gegenwärtigen Moment in dem uns das Leben zur Verfügung steht.

Der zweite Aspekt der Meditation ist tiefes Schauen, auf Sanskrit vipassana, um die wahre Natur der Dinge zu erkennen. Verstehen ist ein großes Geschenk, das tägliche Leben achtsam zu führen ist ebenfalls ein großes Geschenk und es ist gleichzeitig Meditationspraxis.

Frei nach Thich Nhat Hanh

Langeweile

Normalerweise haben wir Angst vor Langeweile und werden alles tun, um sie zu vermeiden. Wir sind ständig mit dem Versuch beschäftigt, unserer Einsamkeit, unserer Leere und unserer Langeweile zu entkommen. Ohne Bewusstheit, hat dies eine große Macht über uns und wir kommen niemals zur Ruhe. Wir müssen aber nicht zulassen, dass Langeweile unser Leben auf diese Weise bestimmt. Was ist Langeweile, wenn sie für sich selbst erlebt wird? Langeweile kommt aus Mangel an Aufmerksamkeit. Mit ihr finden wir auch Ruhelosigkeit, Entmutigung und Beurteilungen. Wir langweilen uns, weil wir nicht mögen was passiert oder weil wir uns leer oder verloren fühlen. Wenn wir sie aber benennen, können wir die Langeweile anerkennen und sie als einen Zustand anerkennen, den es zu erforschen gilt.

Benennen der Langeweile

Wenn die Langeweile eintritt, fühle sie im Körper. Bleib dabei. Langweile dich so richtig. Benenne sie sanft solange sie andauert. Schau den Dämon an, betrachte ihn, fühle seine Konsistenz und Energie, die Schmerzen und Spannungen in ihm, die Widerstände gegenüber ihm. Schaue dir genau die Funktionsweise seiner Natur im Körper und Geist an. Sieh welche Geschichte er erzählt und was sich öffnet wenn du zuhörst. Wenn wir endlich aufhören wegzulaufen oder Wiederstand zu leisten, dann wird es wirklich interessant, egal wo wir stehen! Wenn die Aufmerksamkeit klar und fokussiert ist, können auch die wiederholenden Bewegungen des Ein- und Ausatmens eine wunderbare Erfahrung sein.

Frei übersetzt von Jack Kornfield Boredom